Ein Tag auf Marstrand- Lasse Maja und seine Burg Carlsten -


Einst kleinste Stadt Schwedens, heute beliebter Ausflugsort für Tagesgäste aus Göteborg: Die autofreie Insel Marstrand ist typisch schwedisch mit viel Natur, Ruhe, Gelassenheit und natürlich bunten Holzhäusern.

Das Boot legt ab. Die Luft schmeckt salzig und duftet nach Fisch. Vor uns erhebt sich die Festung Carlsten gigantisch in den klaren blauen Himmel. Wir sind auf dem Weg nach Marstrand – ins Sommerparadies, die Seglermetropole und zu einem der schönsten Badeorte an der Westküste Schwedens.

Heringshandel auf Marstrand

Bohuslän, so heißt die Provinz an der Westküste Schwedens, die für raue Klippen, Meer und unzählige leuchtend weiße Segelschiffe steht. Von der norwegischen Grenze bis hinunter nach Göteborg finden sich hier neben der Hauptstadt Uddevalla zahlreiche kleine Schäreninseln, die einen Besuch wert sind. Allen voran Marstrand.

Die Fischer, die hier einer langen Tradition nachgehen, kommen täglich, be- und entladen ihre Schiffe und tun dies in einer Ruhe, wie es so typisch für die schwedische Lebensweise ist.

Früher blühte hier der Heringshandel, machte die Gegend reich, davon zeugen die drei Fische im Wappen der Stadt bis heute. 30 Jahre lang war Marstrand im 16. Jahrhundert sogar das Zentrum des Heringfanges in Europa und das Heringsöl, das hier produziert wurde, befeuerte sogar die Straßenlaternen in Paris. Menschen zogen von ihren Bauernhöfen auf dem Land an die Küste, holzten ganze Wälder ab, um Häuser und Schiffe zu bauen. Manch eine nackte und karge Felslandschaft zeugt noch heute davon.

Doch die Geschichte von Marstrand ist ein wahres auf und ab. Hochzeiten des Heringfanges wechselten sich ab mit Zeiten, in denen Armut und Arbeitslosigkeit auf der Insel herrschte und Kriminelle das Sagen hatten.

Das St. Tropez des Nordens

Dass auf Marstrand heute der Tourismus der entscheidende Wirtschaftsfaktor ist, haben wir König Oscar II. zu verdanken. Im 19. Jahrhundert entdeckten er und andere hohe Gäste die Insel für sich und Marstrand avanciertezu einem exklusiven Badeort. Witzige Anekdote: Sein Sommerhaus, das heutige Grand Hotel*, hatte extra zwei Ein- und Ausgänge, damit die Mätressen des Schweden-Königs ungehindert ein- und ausgehen konnten.

Auch heute noch urlaubt die Königsfamilie – allen voran Victoria mit ihrer Familie – gerne auf der Insel mit den rund 1300 Einwohnern.

Die Festung Carlsten

An diesem Morgen ist es ruhig auf der autofreien Insel. Wir kommen noch vor 10 Uhr an, die meisten Tagesgäste schlafen wohl länger. Und machen uns direkt auf den Weg zur Festung Carlsten. Durch kleine niedliche Gassen mit typisch schwedisch pastellfarbenen Holzhäusern geht es hinauf auf die Anhöhe.

Marstrand wurde einst im 13. Jahrhundert von dem norwegischen König Håkon Håkonsson gegründet, schwedisch ist es erst seit 1658. Der Hafen hatte eine große Bedeutung, denn weil er selten zufror, lud und löschte ein Teil der westschwedischen Handelsflotte seine Ladung hier. Um den Hafen zu schützen beschloss Carl X. Gustav, im 17. Jahrhundert die Festung anzulegen.

Der Bau war natürlich alles andere als leicht. Weil auf der Insel gar nicht genügend Baumaterial zur Verfügung stand, wurden die Steinblöcke per Schiff auf die Insel und anschließend von Hand an die Spitze der Insel gebracht. Um dafür auch ausreichend Arbeitskräfte zu haben, wurde extra das schwedische Strafrecht geändert: Eingeführt wurde die „Marstrandarbeit“, die von einigen Jahren bis lebenslang andauern konnte. Schwerverbrecher, Mörder, aber auch Kleinkriminelle aus dem ganzen Land verrichteten ihre Arbeit dort. Damit sie nicht flüchten konnten, bekamen sie eine zwei Kilo schwere Fußfessel. Und wer dennoch einen Versuch wagte oder aufmüpfig war, der wurde gezwungen, eine bis zu 36 Kilogramm schwere Eisenweste, die sogenannte Järnkrona, zu tragen. Kein Wunder, dass die Sterblichkeit hoch war. Bis zu 20 Prozent der Gefangenen starben in jedem Winter. Erst 1854 wurde die Marstrandarbeit abgeschafft und viele der Gefangenen wurden nach Göteborg verlegt.

Wie die Gefangenen gelebt haben, kann man gut nacherleben. Bei deinem Besuch auf der Festung siehst du die Gefängniszellen, kannst aber auch durch die Geheimgänge laufen. Zugbrücken und steile Treppen bringen dich – vorbei an Kanonen – durch die Küchenräume und in die Innenhöfe. In einem von ihnen kannst du sogar den Galgen sehen, an dem die letzte Hinrichtung Schwedens erfolgte.

Wer 172 weitere Treppenstufen erklimmt, steht ganz oben auf der Turmspitze. Dort hast du eine wunderbare Aussicht über die Schärenwelt. Wusstest du, dass sich direkt vor Marstrand das Skagerrak und das Kattegat begegnen?

Besuch der Festung und Wanderung

Möchtest du die Festung Carlsten besuchen, dann kostet der Eintritt auf die Festung für einen Erwachsenen 95 Schwedische Kronen und für Kinder 50 Schwedische Kronen (Stand 2019). Die Burg ist in der Regel ab 11 Uhr geöffnet, die genauen Zeiten findest du auf der Webseite. Geführte Touren auf Schwedisch finden jeweils um 12, 14 und 15 Uhr statt. Ein englischsprachiger Guide kann vorab gebucht werden.

Einmal im Jahr am ersten Sonntag im August finden die Festspiele statt. Ein super Gelegenheit, die du dir nicht entgehen lassen solltest, wenn du in dieser Zeit in der Gegend bist. Die Tickets sind mit 150 bzw. 70 Schwedischen Kronen nur ein bisschen teurer und dir wird viel geboten.

Rund um die Festung kannst du übrigens einen fünf Kilometer langen Wanderweg entlang gehen – eine Tour dauert je nach Kondition ein bis zwei Stunden und ist relativ anstrengend. Eine Karte bekommst du in der Touristeninformation oder auf der Webseite von Marstrand.

Der berühmteste Dieb Schwedens: Lasse-Maja

Hast du schon einmal von Lasse Maja gehört? Er war nicht nur der berühmteste Kriminelle Schwedens, sondern verhalf der Insel auch zu landesweiter Bekanntheit. Aber von vorne: Lars Molin, oder Lasse Maja, wie er sich nannte, war ein kluger Kopf, der, als Frau verkleidet, im 19. Jahrhundert in den reichen Häusern Schwedens als Haushälterin anheuerte. Seiner Arbeit ging er dort allerdings nie lange nach, sondern sammelte bei erstbester Gelegenheit den Schmuck und andere Wertsachen ein und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Manchmal flog er sogar auf, doch die Strafen bis hin zu Peitschenhieben konnten ihm nichts anhaben – bald schon tat er es wieder. Bei seinem letzten Einbruch in der Järnfälla-Sakristei wurde er schließlich geschnappt und nach Marstrand gebracht.

Aber Lasse-Maja wäre nicht Lasse-Maja gewesen, wenn er sich dem Gefangenenleben einfach so gebeugt hätte. Stattdessen machte er sich im Gefängnis einen Namen als Koch und schlug vor, Gäste ins Gefängnis einzuladen, und diese zu bekochen – für die reichen Küstentouristen eine tolle Abwechslung. Und mehr als das: Lasse-Maja konnte auch tolle Geschichten erzählen und brachte seine Zuhörer in den Wahnsinn, wenn er seine Erzählungen an der spannendsten Stelle unterbrach.

Sogar Kronprinz Oscar besuchte ihn 1835 und lud ihn auch direkt auf sein Schiff ein. Über seine Erlebnisse schrieb Lasse-Maja eine Autobiografie und wurde nach 26 Jahren trotz lebenslanger Strafe begnadigt. Und anschließend? Reiste er durchs Land und hielt Vorträge. Und wurde endlich reich – auf ganz legalem Wege.

Marstrand als Segelhauptstadt Schwedens

Heute gibt es viele kleine Cafés auf der Insel – außerdem natürlich kleine Mode-Boutiquen, Kundhandwerk- und Souvenierläden. Viele von ihnen tragen „Lasse Maja“ im Namen. Hier kannst du herrlich stöbern oder es dir mit einem Eis in der Sonne gemütlich machen und den vielen Seglern auf dem Wasser zuschauen. Schließlich ist Marstrand so etwas wie die Segelhauptstadt von Schweden.

Apropos Segeln: Anfang Juli wird es auf der Insel übrigens immer besonders voll. Dann (in 2020 vom 1. bis zum 5. Juli) findet der Match Cup Sweden statt, ein Segelevent, zu dem jedes Jahr zwischen 100.000 und 150.000 Besucher anreisen. Und ich habe keine Ahnung, wie die alle auf die kleine Insel passen …

Natürlich kannst du Marstrand auch selbst vom Wasser aus erkunden, zum Beispiel mit einem Kajak. Das kannst du direkt am Anleger bei „Marstrand Kajaker“ ausleihen und bekommst auch eine Schwimmweste und eine Karte (ganz wichtig zwischen all den Schären) mit dazu.

Der einzige Nachteil der Insel ist, …

dass wir sie irgendwann wieder verlassen müssen. Unseren Besuch schließen wir mit einem Spaziergang entlang der wunderschönen Promenade ab, vorbei an den verwinkelten Gassen und gemütlichen Restaurants. Marstrand, dass wissen wir jetzt, ist definitiv eine Reise wert. Wir kommen gerne wieder.

Möchtest du dir einen ersten Eindruck von Marstrand machen?

Die schwedische Popband ABBA drehte 1980 ihr Video für den Song „The Winner Takes it all“ auf der Insel.

Hast du Lust auf ein bisschen Urlaubslektüre?

Krimi muss schon sein, wenn wir schon in Schweden sind, oder? Deshalb empfehle ich dir die Kriminalromane von Ann Rosman, die alle auf Marstrand spielen. Die ersten drei Titel verlinke ich dir hier:

Überblick über die Sehenswürdigkeiten auf Marstrand

  • Die Hamngatan, also Hafenstraße: Hier an der Uferpromenade tobt im Sommer das Leben in den vielen kleinen Straßencafés, Restaurants und Geschäften
  • Carlsten Festung: Hier kannst du übrigens sogar heiraten – es muss ja nicht unbedingt unter dem Galgen sein.
  • Das Grand-Hotel: Das ehemalige Sommerhaus von Oscar II.
  • Das Sozietätshaus: Ein imposanter Bau sus dem Jahr 1886.
  • Das Warmbad aus dem Jahr 1858.
  • Die öffentliche Sauna mit Meerblick: Die „Bastu“ wurde vor ein paar Jahren zu Schwedens schönster elektrischer Sauna gekürt. Am besten reservierst du dir vorab via E-Mail einen Platz, dann darfst du für 60 Kronen (ungefähr 6 Euro) zwei Stunden lang schwitzen. Abkühlung gibt es einige Meter weiter im Meer. Alles was du für deinen Besuch in einer schwedischen Sauna wissen musst erfährst du übrigens in meinem Saunaknigge für Skandinavien.
  • Die erste Synagoge Schwedens
  • Die Marstrand Kirche
  • Das Heimatmuseum: Hier kannst du mit historischen Bilder noch mehr über die Geschichte der Insel erfahren.

Wissenswertes

Marstrand liegt ungefähr 30 Kilometer nordwestlich von Göteborg und ist mit zahlreichen Verkehrsmitteln super zu erreichen.

Anreise mit dem Auto

Mit dem Auto nimmst du die E6 bis zur Ausfahrt 86 in Knugälv und fährst von dort aus etwa 25 Kilometer nach Westen über die Straße 168. Nach ungefähr einer Dreiviertelstunde erreichst du Koö. Parken kannst du dein Auto am besten auf dem großen Platz rund 300 Meter vor dem Anleger.

Anreise mit dem Bus

Die Busse mit den Nummern 302 und 312 fahren täglich vom Nils Ericssonsterminalen am Hauptbahnhof Göteborg. Die 312 ist ein Expressbus und braucht 55 Minuten, mit der 302 bist du in 1 Stunde und 10 Minuten am Anleger. Die Preise findest du auf der Webseite von Västtrafik. Wichtig: Im Busticket ist dein Ticket für die Fähre bereits enthalten!

Anreise mit dem Zug

Möchtest du von Göteborg aus den Zug nehmen, dann steigst du am Hauptbahnhof in den "Västtåget" ein und fährst bis "Ytterby station". Dort nimmst du den Bus "Marstrand Express". Er bringt dich direkt zum Fähranleger von Marstrand. Tickets bekommst du für 58 Kronen (ungefähr 5,80 Euro) in der App der schwedischen Bahngesellschaft.

Überfahrt von Koö nach Marstrand

Die Überfahrt von Koö auf die autofreie Insel dauert 3 Minuten und kostet 31 Schwedische Kronen (Stand: Sommer 2019). Das Ticket kaufst du direkt im kleinen Kiosk am Fähranleger und zeigst es nur auf der Hinfahrt vor. Die Fähren legen tagsüber alle 15 Minuten und in der Nacht alle halbe Stunde ab.Die Überfahrt mit der Fähre von Koö nach Marstrand dauert nur 3 Minuten.

Anreise mit dem Schiff

Übrigens kannst du – zumindest im Sommer – auch mit dem Boot von Göteborg nach Marstrand reisen.  Die Reederei Strömmabåtarna fährt ab dem Anleger "Lilla Bommen" durch den Schärengarten von Bohuslän direkt zur Insel. Tickets bekommst du direkt bei Strömma.

Anreise mit dem Segelschiff

Kommst du mit dem Segelboot? Dann findest du gute Infos auf der Seite des Europäische Segel-Informationssystems.

Übernachtungsmöglichkeiten auf Marstrand

Im Gegensatz zu vielen anderen Schäreninseln bietet Marstrand eine Reihe toller Übernachtungsmöglichkeiten. Auf der Insel gibt es 18 Hotels und auch Ferienwohnungen* sind buchbar.

Möchtest du lieber campen, dann ist dies auf "Marstrands Familjecamping" möglich. Der Platz liegt ruhig und in der Natur, allerdings musst du zur autofreien Insel die Fähre nehmen – was ja eigentlich logisch ist. Zum Anleger sind es 15 Minuten zu Fuß.Und was ist sonst noch wichtig zu wissen?

Wenn du dich danach stärken magst, bekommst du frischen Fisch direkt von einem der Boote oder Brot und Gebäck in der Bergs Konditori.

Und: Pack am besten deine Badehose ein, denn auf Marstrand gibt es fünf ausgewiesene Badestellen – falls dir das Wasser nicht zu kalt ist. Schwedische Flagge an einem Haus auf Marstrand.

Warst du schon einmal auf Marstrand und wie hat es dir gefallen?

Ich freue mich auf deine Erfahrungen und auch weiteren Tipps in den Kommentaren!

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